Zu spät – oder genau richtig? Ein Abend am Böhmerweiher

Manchmal macht man sich auf den Weg mit einer klaren Vorstellung im Kopf. So wie ich an diesem Samstagabend: Ich wollte den Sonnenuntergang am Böhmerweiher fotografieren. Dieses besondere Licht einfangen, das sich nur für wenige Minuten zeigt, bevor es im Abend verschwindet. Doch als ich ankam, war die Sonne bereits versunken. Das Schauspiel, das ich mir erhofft hatte, schien vorbei.

Und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – begann etwas anderes.

Ich stand am Ufer, der Himmel trug nur noch ein feines Nachglühen des Tages, ein leises Rot am Horizont. Die Stille lag über dem Weiher wie ein sanfter Schleier. Keine Hektik, kein „Du hättest früher kommen müssen“, nur ein stiller Abend, der so war, wie er sein wollte.

Ich denke, man ist immer zur passenden Zeit dort, wo man gerade ist. Oft sind es nicht die geplanten Augenblicke, die uns berühren, sondern die, die uns unerwartet begegnen. Der Sonnenuntergang war vorbei – ja. Aber das Restlicht, das den See in weiche Pastelltöne tauchte, hatte eine eigene Magie. Eine, die ich vielleicht verpassen würde, wenn ich nur darauf fixiert wäre, was ich eigentlich sehen wollte.

Das Wasser war glatt wie ein Spiegel, die Luft kühl, und mit der sinkenden Dunkelheit verstärkten sich die Töne der Natur. Ein leises Rascheln im Schilf, das entfernte Rufen eines Vogels, das sanfte Nachklingen des Tages. Alles wirkte gedämpft und gleichzeitig intensiv. Kein Spektakel, kein dramatisches Licht – aber eine stille Schönheit, die man nur wahrnimmt, wenn man bereit ist, sie zu sehen.

Es ist der eigentliche Zauber solcher Momente: Sie erinnern uns daran, dass wir nicht immer das bekommen, was wir erwarten. Aber oft bekommen wir etwas anderes – etwas, das genauso wertvoll sein kann. Vielleicht sogar wertvoller.

Ich ging an diesem Abend nicht mit den Bildern nach Hause, die ich mir vorgenommen hatte. Doch ich ging mit etwas anderem: einer tiefen Ruhe, einem Gefühl des „genau richtig Seins“.

Es gibt kein Zu spät. Es gibt nur den Moment, und manchmal überrascht er uns auf die sanfteste Weise.

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Ein stiller Sonntagvormittag am Waldfriedhof

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Ein nächtlicher Streifzug über den noch leeren Weihnachtsmarkt