Ein nächtlicher Streifzug über den noch leeren Weihnachtsmarkt

Ich liebe es, Orte zu besuchen, bevor sie beginnen zu leben. Bevor Stimmen sie füllen, bevor Musik sie durchdringt, bevor Menschen sich hindurchschieben wie warme Ströme. In dieser kurzen Zeitspanne, in der alles bereitsteht, aber noch nichts begonnen hat, liegt für mich etwas Magisches. Ein Atmen vor dem ersten Ton. Ein Moment, den die meisten nie sehen.

Bevor die Magie erwacht

So war ich Freitag unterwegs auf einem Weihnachtsmarkt, der erst in einer Woche seine Tore öffnen wird. Die Lichterketten hingen schon, die Buden waren aufgebaut, und sogar der Duft von Holz lag in der Luft – aber sonst war da nichts. Kein Gedränge, kein Glühwein in den Händen anderer, keine Musik, kein Lachen. Nur Stille.

Und genau diese Stille liebe ich.

Die geschlossene Langos-Bude stand da wie ein kleines, warm leuchtendes Häuschen in einem Meer aus Nacht. Ihre Lichter zogen mich an, als wäre ich eingeladen, ganz allein der erste Gast der Saison zu sein. Alles war vorbereitet, ordentlich, liebevoll dekoriert – und trotzdem ruhte der Ort in sich selbst, wie ein Bühnenbild kurz vor der Premiere.

Ein paar Meter weiter ragte die große, hell erleuchtete Weihnachtspyramide in den dunklen Himmel. Ihre Lichter wirkten fast unwirklich in der Leere um sie herum. Normalerweise sieht man solche Pyramiden nur umringt von Menschen, von Düften, von Stimmen. Aber jetzt stand sie da – nur für sich. Und für mich. Ich konnte ihren Schein betrachten, ohne hastiges Vorbeilaufen, ohne Ablenkung. Ein seltenes Gefühl.

Auch der Platz zwischen den Hütten erzählte seine eigene Geschichte. Mit einer dünnen Frostschicht bedeckt, wirkte er wie eine Schneekulisse aus einem alten Wintermärchen. Die geschlossenen Fensterläden, die festlich geschmückten Kanten, die unbenutzte Eislaufbahn – es war, als würde der Markt schlafen und gleichzeitig schon träumen.

Ich finde es immer besonders, solche Orte in diesem Zwischenzustand zu sehen. Noch nicht voller Leben, aber auch nicht mehr im Aufbau. Es ist der Moment, in dem die Magie schon greifbar ist, aber noch nicht geteilt. Ein Moment, den man nur bekommt, wenn man bewusst zur falschen – oder vielleicht zur genau richtigen – Zeit kommt.

Und genau dafür gehe ich los, bevor alles beginnt.

Zurück
Zurück

Zu spät – oder genau richtig? Ein Abend am Böhmerweiher

Weiter
Weiter

Winter im Eichenhain – Ein stiller Ort, der Geschichten erzählt