Das Skelett im Berg
In einem fernen Land, weit jenseits der bekannten Wege, lag ein uralter Wald, der so dicht und finster war, dass selbst das Licht des Tages nur schwer hindurchdrang. Die Bäume waren gigantisch, mit knorrigen Ästen, die wie Finger in den Himmel ragten, und das Unterholz war so dicht, dass es fast unmöglich war, sich dort zu bewegen. Es hieß, dass nur die Mutigsten oder die Verzweifeltesten sich in diesen Wald wagten, denn er war voller Mysterien und unheimlicher Geschichten.
Tief im Herzen dieses Waldes, versteckt vor den Augen der Welt, stand eine alte Burg auf einem Felsvorsprung. Ihre Türme ragten hoch über den Baumwipfeln empor, doch sie war von Efeu und Moos überwuchert, als hätte sie der Wald selbst verschlungen. Die Mauern waren bröckelig, und es schien, als ob hier seit Jahrhunderten kein Mensch mehr gelebt hatte. Dennoch gab es Gerüchte, dass in den kalten Nächten Licht in den Fenstern der Burg zu sehen war und seltsame Geräusche durch den Wald hallten.
Unterhalb der Burg schlängelte sich ein mächtiger Fluss durch das Tal. Sein Wasser war dunkel und träge, und an seinen Ufern wuchsen dichte Farne und alte Weidenbäume. Der Fluss führte zu einer großen Höhle, die sich in die Felswand bohrte, als wäre sie ein Eingang zu einer anderen Welt. Der Eingang der Höhle war von seltsamen Felsformationen gesäumt, die aussahen wie die Gebeine uralter Kreaturen. Es hieß, dass dies der verborgene Ort sei, an dem die Zeit selbst stillstand.
In der Tiefe der Höhle lebte jedoch kein Lebewesen – zumindest keines, das atmete. Dort, in einem riesigen, düsteren Raum, lag das gewaltige Skelett eines Dinosauriers. Es war ein Tyrannosaurus, oder zumindest etwas, das ihm ähnelte. Seine Knochen waren gewaltig und schienen im sanften Licht, das durch Spalten im Fels fiel, fast lebendig zu glühen. Es schien, als würde der Ort selbst das Skelett bewachen, denn seit Urzeiten hatte kein Lebender es gewagt, in die Höhle vorzudringen.
Doch eine uralte Legende erzählte, dass das Skelett nicht bloß Überreste eines ausgestorbenen Wesens war. Es hieß, dass der Geist des Dinosauriers noch immer über seine Knochen wachte. Manche behaupteten, dass in der Nacht, wenn der Mond voll über der Burg stand, das Skelett zum Leben erwachte. Dann soll der mächtige Dinosaurier als ein untotes Wesen durch den Wald streifen, auf der Suche nach dem, was ihm einst genommen wurde.
Eines Tages, als der Himmel von einem gewaltigen Sturm verdunkelt wurde, kam ein junger Abenteurer in den Wald. Er war auf der Suche nach Schätzen, doch was er fand, war weitaus schrecklicher, als er sich jemals vorstellen konnte. Auf seinem Weg zur Burg, wo er von sagenhaften Reichtümern gehört hatte, erblickte er den Eingang der Höhle und verspürte einen unheimlichen Sog, der ihn näher zog.
Der Abenteurer wagte sich in die Höhle hinein und stand bald Auge in Auge mit dem gigantischen Dinosaurierskelett. Doch bevor er sich zurückziehen konnte, begann der Boden unter ihm zu beben. Die Knochen des Skeletts klapperten laut, und eine uralte Macht erwachte. Die Augenhöhlen des Tyrannosauriers leuchteten plötzlich in einem unheilvollen Rot, und mit einem dröhnenden Brüllen erhob sich das Skelett. Der Geist des Dinosauriers war erwacht.
Der Abenteurer floh panisch aus der Höhle, doch er wusste, dass die Geschichte des Waldes ihn nun für immer verfolgen würde. Von diesem Tag an war die Legende des untoten Dinosauriers nicht länger eine bloße Erzählung, sondern eine schaurige Wirklichkeit, die nur wenige überlebten, um sie weiterzugeben.
Und so blieb die Burg verlassen, der Fluss ruhig, und die Höhle das Reich eines Wesens, das einst in der Zeit der Dinosaurier geherrscht hatte und nun für alle Ewigkeit über den geheimnisvollen Wald wachte.